Zwischenbilanz: Alles noch etwas rau im Europa-Depot

Junge Depots neigen immer zu einer gewissen Unausgewogenheit. So haben wir besonders mit der Polen-Aktien CD Projekt bereits nach wenigen Wochen einen spektakulären Buchgewinn erzielt. Dazu gleich mehr. Auch ASML Holding entwickelt sich sehr erfreulich und folgt damit den starken Vorgaben aus der US-Chipbranche. Bekanntlich entwickeln die Niederländer Fertigungsstraßen für die Chip-Unternehmen.

Leider muss die Branche in dieser Woche einen mittelprächtigen Dämpfer hinnehmen. So wird die US-Regierung die Ausfuhr von künstlich-intelligenten Chips nach China streng begrenzen. Trotzdem bleibt KI natürlich ein Treiber für die Branche und damit indirekt auch für ASML.

Auf der anderen Seite sitzen wir in den Positionen BASF und Wacker Chemie auf Buchverlusten von jeweils rund 12 %. Ich bin hier ganz offen mit Ihnen: Zur Stunde gehe ich nicht davon aus, dass diese Verluste kurzfristig ausgeglichen werden können. In der europäischen Chemie-Industrie hat sich doch in den letzten Wochen die Stimmung nochmals eingetrübt. Ich räume auch ganz selbstkritisch ein, dass dieses „Chemie-Cluster“, das ich Ihnen da angeschafft habe, erst einmal nicht so clever war.

Gleichwohl setze ich große Hoffnungen in Wacker Chemie. Die Bayern sind einer der führenden Silizium-Hersteller und haben damit das Material für die Chip-Hersteller und etwa auch für die Unternehmen der Solarbranche. Man kann schlechtere Kunden haben.

Ganz spannend zudem: Silizium wird sehr wahrscheinlich in sehr absehbarer Zukunft zu einem (gefragten) Batteriematerial. Dabei soll Silizium das Material Grafit in der Anode ablösen. In den USA arbeitet das noch nicht börsennotierte Startup Sila Nanotech mit diesem neuartigen Batteriekonzept. Mercedes und Tesla möchten nächstens entsprechende Batterien in Serie produzieren. Zur Vermeidung von Missverständnissen: Ich schreibe hier nicht von einer neuen Zauberbatterie, die vielleicht in den nächsten 10 Jahren kommt, sondern von einer Speichertyp, der in den nächsten Wochen oder Monaten bereits umfassend verbaut wird.

Der perfekte Sturm für CD Projekt – Übernahmegerüchte im Markt

Es war praktisch eine Traumkonstellation für uns. Die Polen werden in den nächsten Tagen eine Erweiterung des Videospiels Cyberpunk 2077 starten. Das neue Baby wird sich Phantom Liberty nennen und soll mit den (zahlreichen) Fehlern des Cyberpunk aufräumen. Der Cyberpunk war 2020 unter großem Euphoriegeschrei in der Videogamer-Szene gestartet. Wie bereits angedeutet, schnell kehrte Realismus ein, nachdem das Spiel ruckelte. Trotzdem verkaufte es sich bis jetzt rund 20 Millionen Mal.

Gleichzeitig lancieren die Polen einen Rückkauf für eigene Aktien im Volumen von 500 Millionen Zloty oder umgerechnet rund 112 Millionen Euro. Damit hat man das letzte Kaufprogramm gemessen am Volumen exakt verdoppelt.

Ende Mai kamen im Markt Gerüchte auf, dass die Japaner von Sony nach CD Projekt greifen. Das Gerücht ist insofern plausibel, als Sony gerne einmal das eine oder andere mittelgroße Entwicklerstudio einsammelt. Für diejenigen, die mit der Materie nicht so vertraut sind. Sony hat mit der PlayStation eine der führenden Spielekonsolen entwickelt. Und diese Konsole braucht immer neue Inhalte. CD Projekt hat diese Inhalte.

Aber: CD-Chef Adam Kicinski hat den Gerüchten bereits eine Absage erteilt. Man fühlt sich in der Selbstständigkeit wohl und möchte das Unternehmen weiterhin unter eigener Führung entwickeln, so der Pole. Dennoch gilt: Alle diese Nachrichten haben die Aktie der CD Projekt zuletzt in den Fokus gerückt. Die Investoren haben erkannt, die Polen haben mitunter einige gute Ideen.

Zum Abschluss ein Taktikvorschlag: Ich halte es für klug, jetzt im Rahmen eines Teilverkaufs erste Gewinne der CD Projekt-Aktie festzumachen. Diese freien Mittel schieben Sie dann in einigen Wochen beispielsweise in die vergünstigte Aktie der Wacker Chemie. Das ist ein anti-zyklischer Ansatz, der das Europa-Depot für Sie richtig rund macht.

Generell rate ich Ihnen, in den nächsten Tagen die Sonne am Baggersee oder im Biergarten zu genießen. Schonen Sie zunächst Ihren Orderfinger! Wie Sie wissen, ist das übergeordnete Marktbild eher mittelmäßig. Wir befinden uns im Aktienmarkt in einer Korrektur oder zumindest in der Stagnation. In der Vorwoche sackte etwa der DAX und auch NASDAQ 100 spürbar ab.

Aktuell sehen wir noch keine konstruktive Gegenbewegung. Momentan halte ich den Aktienmarkt immer noch für offensichtlich überkauft. Ich sage, wir müssen noch einige Prozent runter, bevor wir wieder offensiv disponieren können